Viele Banken, Politiker, Unternehmer und normale Nutzer machen sich Gedanken über die steigende Bedeutung von Kryptowährungen. In diese Gedanken fließen alte Vorstellungen und Vorurteile über Geld ein, die nicht so leicht auszuräumen sind. Kryptowährungen sind entstanden, weil sie eine Alternative zum herrschenden Geld- und Bankenmodell bieten sollten (programmierbares Geld ohne zentralen Mittler). Diese Diskussion mündet schon seit geraumer Zeit in der Frage, ob es ergänzend zu den volatilen Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether nicht auch stabile Elemente programmierbaren Geldes geben sollte (sog. Stable Coins), die als Zahlungsmittel dienen könnten. In der Internetökonomie könnte dann der Warenaustausch über programmierbares Geld finanziert werden. Dies hat die Zentralbanken (und die Finanzpolitiker) auf den Plan gerufen und so erklärt sich deren Reaktion auf die Ankündigung des Libra-Konsortiums, genau solch einen weltweit gültigen Stable Coin zu begründen. Das veränderte Konsortium (zu Beginn waren Kreditkartenfirmen und PayPal noch dabei) hat nach der massiven Kritik einen Neustart versucht und die Ausrichtung verändert – erst einmal sollen nur Stable Coins für einzelne Währungen herausgegeben werden – das ursprüngliche Ziel eines Währungskorbes für internationalen Geldaustausch wurde zurückgestellt.
Viele Länder analysieren heute die Potenziale von Central Bank Digital Currencies (CBDC), um unter staatlicher Kontrolle solch programmierbares Geld zu entwickeln. Doch die Einführung eines CBDC würde für das bestehende Währungssystem eine große Herausforderung bedeuten (bezogen auf die Geldpolitik und rechtliche Fragen).
Der Chefökonom von Diem (Christian Catalani – Professor am MIT) verweist auf zwei wesentliche Aspekte für digitales Geld: die sinkenden Kosten für die Verifikation durch die Blockchain und die sinkenden Kosten für das Networking, die dezentrale Anwendungen und neuartige Geschäftsmodelle ermöglichen. Die Auswirkungen auf die Banken als zentrale Mittler wären beträchtlich, denn Banken begleiten nicht nur Transaktionen, sondern sie sind auch Geldschöpfer.
Die zentralen Mittler werden in einen starken Wettbewerb geraten, weil es möglich ist, digitale Vermögenswerte ohne Banken zu entwickeln und auszutauschen. Dies reduziert ihren Einfluss auf die Märkte und eröffnet Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle und neue Marktteilnehmer. Die Nutzer erhalten mehr Souveränität und die Netzwerkeffekte ermöglichen unabhängige schnelle Transaktionen zu günstigen Konditionen, vor allem weltweit, weil weltweite Geldtransaktionen noch immer sehr teuer sind.
Die Diskussion geht folglich ans Eingemachte: kontrollieren zentrale Instanzen die digitale Finanzwelt oder haben wir bald alle ein digitales Konto bei der Zentralbank und dazu noch alternative Währungen wie Diem? Wir haben schon oft gesehen, dass sich die Disruption ihren Weg bahnt: die Internet- und Blockchain Ökonomie verbreitet sich – unterstützt durch die Pandemie – exponentiell. Es ist nicht klug, immer nur die hergebrachten Modelle als Bezugspunkte zu nehmen (obwohl es sehr menschlich ist) und dabei die neue Entwicklung zu unterschätzen oder falsch einzuschätzen.
Da wären wir wieder bei Libra/Diem. Diem hat angekündigt, in den nächsten Monaten einen Dollar Stable Coin (und danach noch andere Stable Coins) auf den Weg zu bringen. Auch wenn sich die Zentralbanken dazu sehr kritisch stellen, können wir davon ausgehen, dass es passieren wird – Diem/Libra wird ein Spieler der neuen Generation sein. Es sollte aber hervorgehoben werden, dass die ursprüngliche Ausrichtung der Blockchain-Verfechter, nämlich die klare Dezentralisation, bei Diem nicht gegeben ist. Aber eines hat die Entwicklung der Kryptowährungen gezeigt: eine Abspaltung (ein sog. Fork) autonomer Entwickler ist immer drin.