Werkstattbericht: Arbeit eines Finanzanalysten mit KI
Die Finanzanalyse steht an einem entscheidenden Übergang: KI kann Texte, Tabellen und Präsentationen schneller verarbeiten, als es ein Analyst je könnte. Aber Geschwindigkeit ersetzt keine Struktur. Unser Due-Diligence-Projekt zeigt, warum ein klar definiertes Fundament – das Notebook – wichtig ist. Diese Einschätzung kann natürlich diskutiert werden. Dieser Zwischenbericht kann gerne kommentiert werden. Im übrigen wurden ähnliche Projekte bei GitHub betrachtet und werden einbezogen.
Das Notebook ist unser zentraler Baustein, weil es all das leistet, was KI allein nicht kann: Es definiert, wie ein Geschäftsbericht zerlegt wird, welche KPIs relevant sind und wie Risiken zu gewichten sind. Kurz: Es schafft den ökonomischen Rahmen, ohne den KI nur Muster, aber keine Zusammenhänge erkennt. Erst diese Struktur macht die automatisierte Analyse verlässlich.
Genau hier unterscheidet sich unser Ansatz von dem, was die GitHub-Recherche zeigt. In vielen Projekten dominieren Multi-Agent-Systeme, die mit mehreren spezialisierten Rollen arbeiten – Legal, Market, Technical, Team, Financial. Das klingt beeindruckend, doch die meisten Systeme operieren auf unstrukturierten Daten und springen direkt in die KI-Interpretation. Die Konsequenz: Sie liefern häufig breitere, aber oberflächlichere Ergebnisse. Kein Projekt, das wir untersucht haben, setzt konsequent auf Standardisierung vor dem Einsatz der KI.
Ein gutes Beispiel: Tools wie „Pitchflow.ai“ analysieren Pitch Decks direkt über KI und generieren Scorings. Das ist hilfreich für Venture-Capital-Firmen, die jeden Monat Dutzende Präsentationen sehen. Aber diese Systeme schauen nicht in die Tiefe der Finanzmodelle und integrieren keine Excel-Daten. Sie bleiben im Präsentationsmodus. Auch Projekte wie DiligenceAI arbeiten mit Agenten, aber ohne echte Finanzintegration oder Businessplan-Standardisierung. Ähnliches gilt für FinGPT, FinRobot und andere Finanz-LLMs: Sie sind stark im Bereich Public Markets – News, SEC Filings, Sentiment – aber nicht im Auswerten eines vollständigen Startup-Businessplans oder Excel-Modells.
Unser Notebook verfolgt einen anderen Fokus: Es zwingt zur Klarheit, bevor die Automatisierung beginnt. Für die Startup-Due-Diligence ist das entscheidend, weil Begriffe wie Umsatz, ARR oder operativer Cashflow oft unscharf verwendet werden. Eine KI ohne definierte Regeln würde solche Unsauberkeiten nicht erkennen – oder, schlimmer, falsch interpretieren. Durch die strukturierte Pipeline (PDF → Standardisierung → KPI-Extraktion → Bewertung) wird das Risiko systematischer Fehlinterpretationen massiv reduziert. Genau dieses Vorgehen findet sich in keinem der untersuchten Projekte wieder.
Dass wir derzeit noch kein Agentensystem einsetzen, ist also kein technologischer Rückstand, sondern eine methodische Entscheidung. Ein autonomer Agent setzt auf diese Struktur auf – er ersetzt sie nicht. Agenten entfalten ihren Wert erst dann, wenn die Regeln stabil sind, KPIs sauber extrahiert werden und der Bewertungsprozess klar dokumentiert ist. Erst dann kann man Aufgaben delegieren: Marktmodule, Team-Analysen, Risikoagenten, Reporting-Agenten.
Der Zwischenstand ist daher klar: Wir bauen ein System, das ökonomisch belastbar, nachvollziehbar und lokal einsetzbar ist. Das Notebook bleibt der Taktgeber – und die KI der Verstärker. Agenten kommen, aber erst dann, wenn die Grundlage stimmt. Genau das unterscheidet unser Projekt von vielen der heute viel zitierten KI-Due-Diligence-Tools.