In der Finanzbranche wird die Blockchain-Technologie oft als Mittel zur Effizienzsteigerung und Kostenreduktion gepriesen. Die allgemeine Annahme ist, dass Banken und andere Finanzintermediäre in der Lage sein werden, sich diese Technologie zu eigen zu machen, um grundlegende Finanzprodukte effektiver abzubilden, insbesondere im Kontext von Security Token und der Tokenisierung realwirtschaftlicher Werte. Diese Perspektive ist verständlich, vernachlässigt jedoch ein wesentliches Element der Blockchain: ihre Dezentralität. Die Dezentralität bildet das Herzstück der Blockchain-Philosophie, inspiriert durch die Vision von Satoshi Nakamoto, der im Nachklang der Finanzkrise 2007/2008 Finanz Mittler aus dem Zentrum der Geld- und Finanzmärkte verdrängen wollte. Diese grundlegende Einsicht sollte niemanden überraschen, der sich auch nur oberflächlich mit der Materie auseinandersetzt. Die Mechanismen des Konsenses und die Struktur dezentraler Ledgers dienen nicht nur einem Selbstzweck, sondern sind integraler Bestandteil dieser Überlegungen.
Ein kurzer Rückblick auf die Finanzkrise, angelehnt an David Graeber (2011) in „Debt“, verdeutlicht die Relevanz dieser Perspektive auch für die Regulierungsdebatte: Die Finanzwelt hatte sich damals mit einer Flut neuer, hochkomplexer Finanzinnovationen beschäftigt, deren Komplexität so groß war, dass sogar Astrophysiker für deren Handhabung angestellt wurden – es wurden Produkte entwickelt, die die Finanziers selbst überforderten. Die Regulierung konnte mit diesen Produkten nicht Schritt halten, geschweige denn sie adäquat überwachen.
In der Debatte um die Tokenisierung von Vermögenswerten, insbesondere Wertpapieren, wird oft genau diese unzureichende Regulierung hervorgehoben, die scheinbar eher die Intermediäre als die Anleger schützt. Der Versuch, eine disruptive Technologie mittels traditioneller Regulierungsinstrumente zu zähmen, erweist sich als Trugschluss.
Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die fixen Kosten der Wertpapieremission, die teilweise auch auf Token übertragbar sind. Ohne tiefer in die Materie der Emissionskosten einzutauchen (wobei im Front Office zukünftig noch Optimierungen möglich sind und im Back Office bereits Kostensenkungen identifiziert wurden), bleibt die Regulierung der Hauptkritikpunkt gegen eine Dezentralisierung. Die Debatte um die Regulation ist weitreichend und es sind Strukturen vorstellbar, die bürokratische Hürden minimieren. In diesem Kontext erzielt generative KI signifikante Fortschritte. Dennoch sollte die essenzielle Natur der Technologie nicht durch Regulierungsbestrebungen untergraben werden.
Ein entscheidender Aspekt, der im Risikomanagement und in der Regulierungsdebatte eine zentrale Rolle spielt und auch die Preisgestaltung beeinflusst, ist das Gegenparteirisiko. Dieses Risiko, das entsteht, wenn eine Partei eines Finanzvertrags ihren Verpflichtungen nicht nachkommt, ist ein fundamentales Element im traditionellen Finanzwesen. Die Blockchain-Technologie bietet mit ihrer Transparenz, Unveränderlichkeit und dezentralen Struktur einen innovativen Ansatz zur Reduzierung oder gar Eliminierung dieses Risikos. Durch den Einsatz von Smart Contracts könnten Risikoaufschläge in der Zinskalkulation gesenkt und die Margen der Intermediäre beeinflusst werden.
Diese Überlegungen müssen im Risikomanagement und in der Regulierung von Token, neben den technischen Herausforderungen, sorgfältig geprüft werden. Diese Themen werden in meinem bevorstehenden Buchprojekt zum „Digitalen Geld“ weiter vertieft und es werden essenzielle Fragen aufgeworfen.