Die Debatte über Automatisierung und KI wird oft entlang der alten Frage geführt, ob Maschinen menschliche Arbeit ersetzen und damit Einkommen vernichten. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Die eigentliche Herausforderung entsteht nicht durch Technologie selbst, sondern durch die Frage, wie der dadurch geschaffene Wohlstand verteilt wird. Grob gesprochen: wenn mehr Maschinen beschäftigt werden und mehr Kapital benötigt wird, kommt der Faktor Arbeit unter Druck und es stellt sich die Frage nach Einkommenschancen und nach der Vermögensverteilung.
Vermögenskonzentration in Europa: Ein stabiler Trend
Die Vermögensverteilung im Euroraum ist seit Jahren erstaunlich stabil – und erstaunlich ungleich. Nach den aktuellen Distributional Wealth Accounts der Europäischen Zentralbank halten die obersten zehn Prozent der Haushalte rund 57–58 % des gesamten Nettovermögens. Die unteren fünfzig Prozent kommen dagegen nur auf etwa 5 % des Vermögens (EZB, Distributional Wealth Accounts).
Dieser Befund ist kein Ausreißer, sondern Teil eines langfristigen Trends. Eine umfassende Auswertung über 36 europäische Länder kommt zu dem Ergebnis, dass die Vermögensanteile der reichsten Haushalte seit der Finanzkrise eher zugenommen haben, während die unteren Haushalte kaum Vermögenszuwächse verzeichnen konnten (Eurofound, A Picture of Wealth Inequality Across EU Member States, 2023).

Digitalisierung: Ein mächtiges Werkzeug

Digitalisierung wird oft als „Demokratisierer“ dargestellt – und tatsächlich senkt sie Barrieren:
• Tokenisierung von Vermögenswerten,
• fractional ownership,
• günstige digitale Anlageplattformen,
• Stablecoins für kostengünstige internationale Transfers,
• KI-Assistenz für Analyse und Portfolioaufbau.
Der Allianz Global Wealth Report 2025 zeigt, dass Länder mit starker digitaler Finanzinfrastruktur überproportional hohe Zuwächse bei Kleinanlegern verzeichnen. Gleichzeitig betonen OECD und EZB regelmäßig, dass technologische Entwicklungen ohne breite Zugänge und ohne wirtschaftspolitische Flankierung eher die bestehenden Vermögensstrukturen verstärken als aufbrechen
(Allianz GWR 2025; OECD 2023; EZB Economic Bulletin 2024/05).

Eine Vision:
Tokenisierung ermöglicht die Zerlegung von Vermögenswerten – Immobilien, Unternehmensanteilen, Rohstoffen oder Infrastruktur – in digitale, handelbare Einheiten. Das senkt Schwellen für Anleger. Was früher Kapital in sechsstelliger Höhe erforderte, kann heute in kleinen Beträgen erworben werden. Fractional Ownership wird zur Norm, nicht zur Ausnahme.
Gleichzeitig entsteht Liquidität, wo früher Illiquidität dominierte. Beteiligungen an privaten Unternehmen, Kunstwerken, erneuerbaren Energien oder Immobilien werden handelbar. Für Privatanleger bedeutet das: Der Weg zu einem diversifizierten Portfolio wird kürzer, günstiger und klarer.
Hinzu kommen die Stablecoins, die internationale Transaktionen vereinfachen und digitale Wertaufbewahrung ermöglichen. Sie sind ergänzend zu traditionellen Bankkonten ein Baustein einer globaleren, flexibleren und gebührenärmeren Finanzinfrastruktur. Für Menschen mit unregelmäßigem Einkommen oder kleinen Sparbeträgen kann das reale Unterschiede machen.
Ein weiterer zentraler Baustein ist Künstliche Intelligenz. Was früher spezialisiertes Wissen war – Risikoanalyse, Portfoliokonstruktion, Szenario Simulationen – wird heute zunehmend durch KI-Assistenten verfügbar. Die Barrieren für gute Finanzentscheidungen sinken, der Zugang zu Wissensvorsprung wird breiter. KI kann Muster erkennen, Wahrscheinlichkeiten modellieren, Szenarien durchrechnen und Handlungsempfehlungen geben, die früher nur professionellen Investoren zugänglich waren.

Fazit: Technologie erzeugt Wohlstand, Verteilung entscheidet über Zukunftsfähigkeit
Automatisierung und KI sind zum einen Bedrohung für bestimmte Tätigkeitsbereiche in Unternehmen, sie kann andererseits eine Quelle enormen Wohlstands sein. Sie verschiebt die Struktur der Einkommen: weg von einfach zu automatisierenden Tätigkeiten, hin zu Kapital und hochwertigem Humankapital. Digitalisierung kann helfen, diese Transformation gerecht zu gestalten. Sie senkt Barrieren, öffnet Märkte, macht Vermögensbildung zugänglicher.
Die zentrale Frage der nächsten Jahrzehnte lautet daher nicht: „Wie verhindern wir Automatisierung?“
Sondern:
Wer bekommt Zugang zu den Renditen der Automatisierung?
Breite Vermögensbildung ist folglich nicht nur eine soziale Frage, sondern ein makroökonomischer Stabilisator. Digitale Technologien können diese Entwicklung flankieren und sie fördern die Grundsatzentscheidung, Vermögensbildung wirklich für breite Teile der Bevölkerung zu öffnen.

Der ganze Beitrag hier: Automatisierung Verteilung

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