Der Wirtschaftsnobelpreis 2025 geht an drei Ökonomen, die erklären, wie technologische Innovationen langfristigen Wohlstand schaffen: Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt. Ihr gemeinsames Werk beleuchtet die zentralen Mechanismen, durch die Ideen, Erfindungen und Wettbewerb dauerhaftes Wirtschaftswachstum ermöglichen – und welche politischen Rahmenbedingungen nötig sind, um diesen Prozess zu fördern.

Von der Stagnation zur Innovation

Über Jahrtausende stagnierte die Weltwirtschaft – erst mit der Industrialisierung vor rund 200 Jahren begann der beispiellose Anstieg von Produktivität und Lebensstandard. Joel Mokyr, Wirtschaftshistoriker an der Northwestern University, sieht den entscheidenden Durchbruch im Zusammenspiel von Wissenschaft und praktischer Umsetzung: Ideen mussten in reale Produkte, Maschinen und Prozesse übersetzt werden. Wie schon die Druckerpresse zeigte, reicht die Erfindung allein nicht – sie muss gesellschaftlich akzeptiert und ökonomisch nutzbar gemacht werden. Fortschritt erzeugt immer auch Verlierer: Unternehmen, Branchen oder Beschäftigte, die durch neue Technologien verdrängt werden. Das erklärt, warum technologische Revolutionen oft auf Widerstände stoßen und politische Steuerung erfordern.

Schöpferische Zerstörung – Schumpeter mathematisch bestätigt

Aghion und Howitt entwickelten 1992 die formale Theorie der schöpferischen Zerstörung, inspiriert von Joseph Schumpeter. Sie zeigen mathematisch, dass Kapitalismus von einem ständigen Innovationswettbewerb lebt, in dem neue Unternehmen die alten verdrängen – wie Apple einst Nokia oder Tesla die etablierten Autohersteller herausforderte.
In ihrem Modell entstehen Innovationen auf zwei Wegen: durch Imitation und Weiterentwicklung bestehender Technologien oder durch radikale Neuerfindungen, die alte Märkte zerstören und neue schaffen. Damit Firmen solche Risiken eingehen, müssen sie die Chance auf temporäre Monopolrenditen haben – also überdurchschnittliche Gewinne, bevor Nachahmer folgen. Staatliche Patentpolitik soll deshalb Innovationen schützen, ohne nachfolgende Erfinder zu blockieren.

Aghion und Howitt betonen zugleich die Rolle des Wettbewerbs: Nur wenn Monopole zeitlich begrenzt bleiben, entstehen kontinuierlich neue Ideen. Fehlender Wettbewerb – wie bei heutigen Tech-Giganten – könne Innovationen ausbremsen.

Politische Dimension des Fortschritts

Der diesjährige Preis wirkt weniger unmittelbar politisch als die Auszeichnung 2024, die Daron Acemoğlu und Kollegen für ihre Forschung über Institutionen und wirtschaftlichen Erfolg erhielten. Doch auch Aghion nutzt die Bühne, um politische Botschaften zu senden.

Er lobt die Chancen der künstlichen Intelligenz (KI) für Wachstum, warnt aber vor einer Konzentration ökonomischer Macht in den Händen weniger US-Unternehmen. Ohne staatliche Wettbewerbsaufsicht drohe KI, zu einem System dauerhafter Monopolrenditen zu werden – mit negativen Folgen für Innovation und Gesellschaft. Aghion fordert eine aktive Wettbewerbs- und Industriepolitik, die neuen Akteuren den Markteintritt erleichtert.

Europa zwischen Anspruch und Rückstand

Besonders eindringlich appelliert Aghion an Europa, technologisch nicht zurückzufallen. Zwar sei die EU führend in sozialer Stabilität, Demokratie und Freiheitsrechten, doch es fehle an Institutionen, Kapital und Mut, um Innovationen strategisch zu fördern. Europa müsse eigene Wege in KI, Biotechnologie und grüner Technologie gehen, um wirtschaftlich relevant zu bleiben.

Er befürwortet – anders als viele marktorientierte Kollegen – eine gezielte Industriepolitik, etwa durch staatliche Förderung klimafreundlicher Technologien. Kritiker warnen vor ineffizienter Mittelverwendung, doch Ökonomen wie Peter Bofinger sehen in Asiens Erfolg den Beweis, dass staatliche Lenkung Wachstum beflügeln kann.

Kernaussage des Nobelpreises 2025

Der diesjährige Preis betont, dass Wohlstand nicht von selbst entsteht, sondern Ergebnis eines fragilen Gleichgewichts ist: zwischen Ideen und Umsetzung, Schutz und Wettbewerb, Wissenschaft und Handwerk. Innovation gedeiht dort, wo Institutionen Vertrauen schaffen, Marktmechanismen Anreize setzen und gesellschaftliche Offenheit den Wandel trägt.

Philippe Aghions abschließende Mahnung an Europa fasst die Botschaft zusammen:

> „Wir dürfen den USA und China nicht die technologische Vorherrschaft überlassen. Europas Stärke liegt in seiner Freiheit – aber Freiheit braucht Fortschritt, um zu bestehen.“