Turbulenzen auf dem Anleihenmarkt: kommt das dicke Ende der Zinswende noch?
Die jüngsten Turbulenzen am Bondmarkt haben die Aufmerksamkeit der globalen Finanzgemeinschaft erregt. Der abrupte Kursverfall bei langlaufenden Anleihen, insbesondere in den USA, aufgrund steigender Zinsen deutet auf eine sich ändernde Landschaft hin.
Anleihen gelten traditionell als sichere und stetige Anlageklasse, die sich insbesondere für risikoaverse Anleger eignet. Der Anleihemarkt spielt eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung von Unternehmenswachstum, öffentlichen Projekten und allgemeinen wirtschaftlichen Aktivitäten. Es ist nicht trivial, wenn genau dieser Markt in Turbulenzen gerät, zumal institutionelle Investoren wie Versicherungen, Pensionsfonds u.a. diesen Markt i.d.R. als sicheren Hafen betrachten.
Der rasche Anstieg der Zinsen seit 2022, insbesondere durch die Maßnahmen der US-Notenbank zur Bekämpfung der Inflation, hat die Attraktivität von Anleihen gemindert und zu signifikanten Kursverlusten geführt. Der SPDR Portfolio Long-Term Treasury ETF, der langlaufende US-Staatsanleihen abbildet, hat seit März 2020 mehr als 49% seines Wertes verloren.
Nach der Zinswende zeigten sich im Herbst 2022 erste Verwerfungen bei britischen Pensionskassen und danach im Frühjahr 2023 bei dem Verkauf von Anleihen durch regionale Banken in den USA, um Liquiditätsanforderungen zu erfüllen, und der Kollaps der Silicon Valley Bank zeigt die Schwachstellen im aktuellen System auf. Banken und andere Finanzinstitute, die erhebliche Anleihen Bestände halten, stehen vor Herausforderungen, die durch steigende Zinsen und fallende Anleihekurse verursacht werden. Wenn die Banken aus gegebenen Anlässen Cash benötigen, realisieren sie die Verluste und belasten die Märkte. Die schwachen Kurse erhöhen die Renditen und üben einen großen Druck auf die Zinsumgebung aus. Da die Renditen der Staatsanleihen als risikoarmer Zinspegel gelten, können die Auswirkungen in die Realwirtschaft nur zu gut abgesehen werden.
Die Unsicherheit und das mangelnde Verständnis der aktuellen Turbulenzen unterstreichen das Risiko einer globalen Finanzinstabilität. Ereignisse wie das Wanken britischer Pensionsfonds und die nachfolgenden Auswirkungen auf britische Staatsanleihen illustrieren die globale Verbindung und die potenzielle Anfälligkeit des Systems. Die Öffentlichkeit – ja selbst die professionellen Analysten – tun sich dabei mit klaren Einschätzungen schwer.
In modernen Analysen der Finanzmärkte darf die Psychologie nicht zu kurz kommen: verschiedene menschliche Verzerrungen könnten die Marktdynamik stark beeinflussen. Beispielsweise könnten Anleger zu spät erkennen, dass die Zinsen länger hoch bleiben, oder sie könnten auf Marktnachrichten überreagieren, was zu Panikverkäufen und erhöhter Volatilität führen könnte (hier spielt auch die Verlustaversion mit hinein).
Es gab immer verschiedene Szenarien für eine abrupte Zinswende, die zu einer mehr oder weniger umfangreichen krisenhaften Entwicklung auf den Anleihemärkten hätten führen können. Die Masse an Liquidität, die die Notenbanken nach der letzten großen Finanzkrise in die Märkte gepumpt hatten und die Zurückführung dieser Liquidität konnte offenbar nicht ohne Verwerfungen von statten gehen. Wer gerne das Bild einer Blase bemüht: offenbar hat sicher der Knall verspätet.