Ökonomie im Stress: Beschleunigt sich die Digitalisierung?
Viele Kommentatoren sagen seit einigen Wochen, so eine Krise hatten wir seit dem letzten Weltkrieg nicht mehr erlebt: die Wirtschaft wurde heruntergefahren und ein Drittel der Weltproduktion steht still. In der Tat hat es ein einzelner Virus geschafft, die Welt zum großen Teil zum Stillstand zu bringen – alles, was mit physischer Nähe zu tun hat, ist verpönt. Es ist nicht nur Ignoranz, die die Welt dahingetrieben hat, sondern auch Ausdruck von fehlender Demut, dass die Menschen so in den Tag gewirtschaftet haben und sich gedacht haben, warum Vorsorge im Gesundheitssystem treffen, Mundschutzmasken auf Vorrat halten oder überhaupt an die Zukunft denken.
Es ist offenkundig, dass diese Form der Ökonomie nicht nachhaltig ist. Die Strategie, nur die Kosten im Auge zu haben und vieles in den Lieferketten auf „Kante zu nähen“, musste bei einer solch intensiven Störung im Zuge einer Pandemie zum Scheitern verurteilt sein. Schon nach der letzten großen Sars-Pandemie 2003 hätte ein Impfstoff entwickelt werden sollen, aber weder die Staaten noch Unternehmen haben angesichts des leichten Verlaufs dieser Epidemie dieses Projekt auf die Agenda gesetzt.
Die Schäden nun sind so immens, dass ganze Volkswirtschaften auf längere Zeit massiv geschwächt werden: höhere Staatsverschuldung, höhere Arbeitslosigkeit, mehr Armut. Heute wird vieles in der Finanzpolitik möglich gemacht: Helikoptergeld in den USA oder auch das massive Steigern der Staatsschulden in vielen Ländern All das wird so verkündet, als gäbe es keine Budgetgrenzen mehr. Nur: es wird auch hierfür der Tag der Abrechnung kommen, soviel steht fest. Viele Ökonomen sind im Panik- und Stressmodus und tun alles, was sie dachten, immer tun zu müssen in ihrer Mainstreamwelt der Ökonomie.
Auf der anderen Seite sehen wir die Bedeutung der digitalen Ökonomie (der Internetökonomie). Die Menschen kaufen in großem Stil online ein, sie tauschen sich intensiver in Netzwerken aus, sie arbeiten im Home-Office – natürlich häufig gezwungenermaßen. Die Menschen merken, dass sie ihr Leben auf einmal ohne Netzwerke, ohne Datenaustausch überhaupt nicht mehr meistern können – das Internet und die daran anknüpfbare Technologie ist nicht mehr wegzudenken. Warum nicht annehmen, dass sich dies so schnell nicht mehr ändert? Die Logistik könnte stärker auf dieses Onlinegeschäft ausgerichtet werden, andererseits könnten die Lieferketten und Vorleistungsbeziehungen im europäischen Raum regionalisiert und mit dezentralen Datenbanken (Distributed Ledger) verknüpft werden, zumal künstliche Intelligenz diese Ausrichtung unterstützen könnte (Studien zeigen, dass sich dezentrale Produktionen und Wertschöpfungen über Maschinen in Zukunft stärker lohnen könnten).
Warum die Umstellung auf die „neue Ökonomie“ nicht zum Gegenstand von Staatssubventionen machen oder auch ökologische Projekte verfolgen, anstatt nur panisch die Gießkanne zu bedienen? Um es deutlich zu sagen: ohne die Internetökonomie wären wir heute in einer noch katastrophaleren Situation!
Das Netz hält aber noch so viel mehr Möglichkeiten bereit: „Decentral Finance“ über die Blockchain hat ein ausgeprägtes Potential, die Finanzwelt zu verändern und auch dezentrale Projekte in der Volkswirtschaft zu fördern. Dies alles ist nicht wirklich neu, erfährt aber heute vielleicht im Lichte von Corona einen kräftigen Schub.