Es kommt etwas ganz Großes auf die Anleger zu: Carbon Assets in den Portfolios sind ein Auslaufmodell, die Unternehmen versprechen keinen „going concern“ mehr – also keine positive Zukunftsprognose. Nicht nur, dass Larry Fink, der Chef des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock im vergangenen Herbst einen Brief an viele bedeutsame Unternehmensmanager geschrieben hat, in dem er eine fundamentale Umgestaltung der Finanzwelt einforderte, sondern die vermeintliche „Carbon Bubble“ wirft ihre Schatten bereits seit langem voraus. Unternehmen, die auf fossile Energieträger fokussiert sind, die nicht genutzt werden dürfen, um eine vollständige Klimakatastrophe zu vermeiden, sind massiv überbewertet. Laut eines der ersten Berichte des britischen Thinktanks „Carbon Tracker“ müssen 80 Prozent der Reserven der größten Kohle-, Öl- und Gasgesellschaften in der Erde bleiben, um das 2-Grad-Ziel nicht ganz wertlos werden zu lassen.
Es geht um riesige Vermögenswerte – laut der Carbon Tracker Studie von 2020 sind es über 39 Billionen Dollar an fossilen Reserven, 10 Bio. Dollar Infrastruktur und 26 Bio. Dollar an Aktienwerten und Unternehmensanleihen (ohne die kaum zu schätzenden nicht börsennotierten Finanzanlagen) – und dies bei einem globalen Bruttoinlandsprodukt von 142 Bio. Dollar in 2019 (demnach wäre also der Bruttoanteil der Assets 53 %).
Die Überbewertung all dieser Carbon Assets hat in der Finanztheorie nur eine Konsequenz: sobald die Anleger das ganze Ausmaß der „Illiquidität“ erkennen, müssen sie sich an ein rettendes Ufer bewegen. Hier kommen wieder die „Stories“ aus der Behavioral Finance ins Spiel: Anleger entscheiden nicht nur auf der Basis von „rationalen Erwägungen“, die ja bei der o.g. Prognose den Run begünstigen würden (keine Zukunft heißt kein Wert), sondern kognitive Verzerrungen könnten diesen Run beschleunigen, weil der „Herdentrieb“ ein mächtiger Antrieb ist, der durch „Geschichten“ befeuert wird. Eine neue Studie von „Carbon Tracker“ gibt u.a. hierzu den Stoff (Titel: „The Sky’s the limit“). Die Studie führt aus, was andere Institute bereits ähnlich kommuniziert haben, dass die Sonnen- und Windenergie dramatisch günstiger geworden ist und das Potential dieser Technologien den weltweiten in Energiebedarf 100-mal decken könnte: Link hier). Ein Schlüsselsatz aus dieser Studie: „The fossil fuel industry cannot compete with the technology learning curves of renewables, so demand will inevitably fall as wind and solar continue to grow. At the current 15-20% growth rates of solar and wind, fossil fuels will be pushed out of the electricity sector by the mid-2030s and out of total energy supply by 2050”.
Ein derartiges systemrelevantes Ausmaß an Überbewertung wird nicht nur Spuren hinterlassen, es wird große Vermögensbewegungen auslösen. Ein entscheidender Punkt der Dynamik aus Sicht der Anleger wird sein, nicht zu den letzten zu gehören, die diese Bewegung ausführen. Bedeutsam ist auch, dass die anstehenden Prozesse beherrschbar gestaltet werden müssen, um keine Mega-Finanzkrise auszulösen, zumal viele Ökonomen ohnehin von einer Vermögensblase in einigen Bereichen ausgehen, die durch die Geldpolitik der Notenbanken angefeuert wurde. Es wird ein sehr spannendes Unterfangen.